Der siebente Tag

You are currently viewing Der siebente Tag

Es ward aus Abend und Morgen der sechste Tag. Und Gott sah alles an, was er gemacht hatte; und siehe da, es war gut. Und es ruhte Gott der Herr am siebenten Tage.


Endlich Zeit, auszuschlafen! Er lümmelte sich im Pyjama an den Küchentisch und stippte das Nusshörnchen genüsslich in den Kaffee. Es war keiner da, den das hätte stören können. Nebenbei blätterte er durch den himmlischen Boten, den Gabriel freundlicherweise vorbeigebracht hatte. Erfreut vertiefte er sich in den Kommentar auf Seite drei. Der ansonsten so kritische Zaphiel erging sich in Lobeshymnen über die funkelnagelneue Schöpfung. Er überflog das Feuilleton. Die Termine für das nächste Harfenkonzert, ein Artikel über die aktuelle Heiligenschein-Frühlingskollektion, der lang angekündigte Testbericht zu den flammenden Schwertern, nichts von Interesse.

Der Schöpfer legte die Zeitung beiseite und gönnte sich einen Spaziergang. Er schlenderte gemächlich an dem Bach, in welchem Milch und Honig flossen, entlang bis hinunter zu den Himmelsschleusen. Prüfend an den goldenen Gitterstäben rüttelnd, kontrollierte er die Tore. Er benötigte wirklich einen vertrauenswürdigen Pförtner. Ihm fehlte die Zeit, ständig zu rennen, wenn jemand schellte. Der die Feuerwände bewachende Cherubim hörte nicht mehr so gut wie noch vor 1.000 Jahren und so blieb der eine oder andere Gast draußen stehen. So konnte es nicht weitergehen.

Er nahm den Umweg an der Mannabäckerei vorbei, wo er sich eine der duftenden Oblaten angelte. An dem knusprigen Gebäck knabbernd, schlug er die Abkürzung durch den Garten Eden ein. Eine Zeit lang beobachtete er einen Löwen, der fröhlich mit einem Lämmchen spielte, dann machte er sich auf den Heimweg. Am Apfelbaum hielt er kurz an und pflückte sich eine knackige Frucht. Herzhaft biss er hinein. 


Zu Hause setzte er sich auf die Veranda. Sollte er sich ein Zigarettchen gönnen? Besser nicht, er hatte den Tabak mit giftigem Nikotin versehen, damit die Raupen die Pflanzen nicht anknabberten. Der Allmächtige blickte sich um. Der Kiesrand war sauber geharkt, nirgends aufständische Engel zu strafen, keine Gebete zu erhören. Langweilig! Er war nicht der Typ fürs Nichtstun. 

Unter dem Tisch lagen noch Reste der Tonklumpen, aus denen er Tiere und Menschen geschaffen hatte. Er begann, damit herumzuspielen, drückte hier, knetete da. Vergrub die Finger in der teigigen Masse, sog den kühlen, erdigen Geruch ein. Wie von selbst formten seine Hände schlanke Pfoten und einen biegsamen Körper, fügten da einen geschmeidigen Schwanz an und dort bewegliche Ohren. Viel Material war nicht mehr übrig, das Tier würde klein werden. Nachdenklich gab er ihm spitze Krallen und scharfe Reißzähne, damit es nicht hilflos blieb. Der Kopf ein niedliches Dreieck, die Augen leicht schräg – wunderhübsch! Inzwischen war er geübt beim Formen, es ging ihm leicht von der Hand. 

Mit sicheren Pinselstrichen machte er sich an die Bemalung, probierte Streifen, Tupfen, Flecken in Rot und Silber, Weiß und Schwarz. Malte die Augen grün und gelb, orange und blau, egal, diesem Tier stand alles. Er ließ es gut sein, warum noch weiter herumpfuschen, wenn das Meisterwerk längst fertig war? 

Er beugte sich über die Tonfigur und hauchte sie zärtlich an. Die starren Augen gewannen Leben, die Schnurrhaare bebten, die Schwanzspitze zuckte. Neugierig schnüffelte das Tier an Gottes Nase und leckte probehalber darüber. Die Zunge war rau und warm. Mit einem eleganten Satz sprang es vom Tisch und stolzierte lässig über die Terrasse. Die Pfote schlug nach einem gaukelnden Schmetterling. Es duckte sich, setzte zum Sprung an und verschwand wie ein Schatten in den Sträuchern. 


Der Herr sah ihm lächelnd und etwas wehmütig nach. Es hatte solchen Spaß gemacht, das Wesen zu erschaffen und jetzt war es weg. Wie schade! Er hätte es zu gerne noch länger beobachtet. Seufzend sank der Schöpfer in den Sessel. Er verfolgte träge einen glänzenden Käfer, der unverdrossen einen Weg über die schrundigen Fliesen suchte. Ärgerlich, dass er die Nachmittagssonne so warm erschaffen hatte. Er überlegte sich einen Apfel zu holen, aber es schien ihm nicht der Mühe wert. Die Zeitung lockte ihn nicht mehr. 

Es raschelte. Sorgfältig Pfote vor Pfote setzend, balancierte das kleine Raubtier auf der Einfassung des Rosenbeetes entlang. Als es seinen Gartenstuhl erreichte, sprang es anmutig zu Boden, einen ulkigen Laut ausstoßend, schmiegte es sich um seine Beine. Mit einem geschmeidigen Satz glitt es auf seinen Schoß. Es drehte sich einige Male um, trat mit den Pfoten auf der Stelle und rollte sich zu einem handlichen Fellball zusammen. Seelenruhig schlief es ein. Ein Ohr zuckte. Unwillkürlich begann er, das Geschöpf zu kraulen. Das Wesen räkelte sich hingebungsvoll. Ein rhythmisches Schnurren ertönte, schwoll auf und ab. Mit einem seligen Lächeln auf den Lippen streichelte Gott die Katze. 


Und Gott segnete den siebten Tag und heiligte ihn von allen. Es vollendete Gott der Herr seine Werke und sah, dass es sehr gut war.