Eine ganz schlechte Geschichte

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Erst wickle ich die rote Decke um mich, dann schniefe ich laut. Ich lass’ mich auf den Hocker plumpsen und eifrig haue ich in die Tasten. Autsch, mein Zeigefinger tut weh, ich hab’ wohl zu viel gescrollt in letzter Zeit. Die aluminiumfarbene, chice Tastatur mit den weißen, quadratischen, flachen Tasten steht auf der rötlichen, verkratzten, astlochübersäten Kiefernholzoberfläche des wackeligen alten Küchentisches. Vor Jahren hatte mal ein Bekannter den Tisch zur Seite geschoben und dabei ein Bein abgebrochen. Das hatte mein rothaariger, blasser Ex dann wieder festgeschraubt. Ach ja, mein Ex. Der war handwerklich arg unbegabt und hatte mehr als eine Macke, auch wenn er 1,93 m war.  Aber wo die Liebe halt hinfällt. Ihr kennt das ja sicher.

Die Nase juckt, das kommt bestimmt von diesem elenden Schnupfen. Wo hab’ ich gleich noch mal die Tempos hingelegt? Na egal, wische ich mir die Nase eben am Handrücken ab, sieht ja keiner. Warum liegen eigentlich Krümel auf der Tastatur? Einmal draufgepustet, schon wieder wie neu. Los, Mädel, reiß dich zusammen, du willst eine wirklich schlechte Geschichte schreiben. Wenn du so weitermachst, wird das nie was. Kinn in die Hände stützen, mit den Augen rollen, noch mal die Nase wischen. Mit dem Knöchel auf die Tischoberfläche (aus rötlichem, verkratzten, astlochübersäten Kiefernholz) klopfen, auf dem Hocker hin und her rutschen.

Apropos rutschen, heute ist es verdammt glatt draußen, wenn ich nachher den Biomüll raustrage, muss ich aufpassen. Da zieh’ ich besser die Stiefel an, auch wenn’s bequemer wär, die fünf Meter über den Hof einfach die Hausschuhe anzulassen. Na, vielleicht kann der Biomüll auch noch bis morgen warten. An der Unterlippe knabbern. Die Heizung höher drehen. Ah, da liegen ja die Taschentücher, was machen die im Brotkorb? Ob ich eben noch ein Brötchen esse? Inzwischen sind sie ein wenig altbacken, ich habe sie vor drei Tagen selber gebacken, mit lecker Kümmel oben drauf. Kümmel erinnert mich immer so an meine Jugendzeit – aber euch das jetzt zu erklären, würde mich nur von unserem Schreibprojekt ablenken, nicht wahr? Zurück also an die Tastatur, und endlich angefangen:

Erst wickle ich die rote Decke um mich, dann …